Aktuelle Texte
Warum schreiben wir?
Wir schreiben, weil wir kein Messer in der Schublade finden können
Wir schreiben, weil wir etwas nicht gelebt haben
Wir schreiben, weil wir verbunden sind – und mit verbundenen Flügeln
Wir schreiben, weil wir für die Ewigkeit schreiben
oder weil wir uns langweilen
Wir schreiben, weil wir uns mit uns selbst langweilen
Wir schreiben, weil wir herausgehen wollen aus unseren Träumen
oder weil wir tiefer hineingehen wollen in unsere Träume
Wir schreiben, weil wir uns eigentlich für undurchdringlich halten
oder weil wir die Wirklichkeit für undurchdringlich halten
Wir schreiben, weil wir sehen wollen, was dieses Undurchdringliche ist
und was das Dringliche
Wir schreiben, weil die Welt untergeht
Wir schreiben, weil wir nicht anders können
Wir scheiben, weil wir den ganzen Stoff verarbeiten müssen
aus den Tweets und Nachrichtensendungen von gestern
Wir schreiben für die Liebe
oder wir schreiben, weil die Vögel uns besoffen machen im Frühling
Wir schreiben, weil wir uns das eigentlich selbst nicht glauben
Wir schreiben, weil wir uns in uns selbst versenken wollen
oder wir schreiben, weil wir uns in die Welt versenken wollen – und nie mehr herauskommen
Wir schreiben, weil wir uns erlösen wollen von dieser Vorstellung
– und von allen Vorstellungen
zum Beispiel weil wir Christusse oder Marxisten oder Buddhisten oder Narzissten sind
glauben wir – und weil wir uns kennen wollen darin
Wir schreiben, weil wir mal wieder Geld brauchen oder
wir schreiben, weil die Schneekristalle uns besoffen machen im Winter
mit ihrem Funkeln in der ausgeräumten Landschaft
Wir schreiben, um nicht irre zu werden an diesem Funkeln
und an dieser Frage auch nicht: Warum schreiben wir?
Kurt Mondaugen